Fliegende Fetzen by Terry Pratchett

Fliegende Fetzen by Terry Pratchett

Autor:Terry Pratchett [Pratchett, Terry]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Fantasy
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Das Ding war zylinderförmig und lief vorn und hinten spitz zu. An ei-

nem Ende hatte die Spitze eine recht komplexe Struktur. Offenbar be-

stand sie aus einer Anordnung von Ringen, die immer kleiner wurden

und sich gegenseitig überlappten, bis sie in eine Art Fischschwanz über-

gingen. Ölig glänzendes Leder steckte in den Lücken zwischen den Me-

tallteilen.

Am anderen Ende ragte ein langes Schraubengewinde aus dem Zylin-

der wie das Horn eines Einhorns.

Das Gebilde ruhte auf einer Art Lore, die wiederum auf zwei eisernen

Schienen stand. Auf der gegenüberliegenden Seite des Bootshauses führ-

ten die Gleise ins schwarze Wasser.

»Sieht wie ein riesiger Fisch aus«, sagte Colon. »Aus Metall.«

»Mit ‘nem Horn«, fügte Nobby hinzu.

»Das Ding schwimmt nie«, meinte Colon. »Bei der Konstruktion ist dir

ein Fehler unterlaufen. Jeder weiß, daß Metal im Wasser versinkt.«

»Das stimmt nicht unbedingt«, widersprach Leonard höflich. »Wie dem auch sei: Dieses Boot sol im Wasser versinken.«

»Was?«

»Der Antrieb war ein Problem und bereitete mir einiges Kopfzerbre-

chen«, sagte Leonard und kletterte eine Trittleiter hoch. »Zuerst dachte

ich an Paddel und Ruder, sogar an eine Art Schraube, und dann fiel es

mir ein: Delphine – dort liegt die Lösung. Sie können sehr schnel sein

und strengen sich dabei kaum an. Dabei meine ich natürlich das offene

Meer. Hier im Mündungsbereich kommt nur der Delphin mit schaufel-

förmiger Nase vor. Die Verbindungsstangen sind ein wenig kompliziert

geraten, aber sie ermöglichen eine recht hohe Geschwindigkeit. Die Ar-

beit mit den Pedalen kann sehr ermüdend sein, doch immerhin sind wir

zu dritt, was uns ein zufriedenstel endes Beschleunigungsmoment geben

sollte. Es ist wirklich erstaunlich, was man durch Imitation der Natur

erreichen kann. Wenn meine Flugexperimente doch nur… Oh, wohin

seid ihr verschwunden?«

Es ließ sich kaum feststellen, welchen Teil der Natur, die zufriedenstel-

lende Beschleunigungen ermöglichte, die beiden Wächter zu imitieren

versuchten, aber offenbar handelte es sich dabei um eine Komponente,

für die Türen unüberwindliche Hindernisse waren.

Die beiden Wächter verharrten zunächst und wichen dann langsam zu-

rück.

»Ah, Feldwebel«, sagte Lord Vetinari, der vor ihnen den Raum betrat.

»Und Korporal Nobbs. Hat Leonard euch al es erklärt?«

»Du kannst nicht von uns verlangen, in das Ding zu klettern, Herr!«

entfuhr es Colon. »Das wäre Selbstmord!«

Der Patrizier preßte die Hände gegeneinander und hob sie an die Lip-

pen, als würde er beten. Er seufzte nachdenklich.

»Nein. Nein, ich glaube, da irrst du dich«, sagte er schließlich, als hätte er gerade ein schwieriges mathematisches Rätsel gelöst. »Ich glaube vielmehr, es wäre sehr tapfer, sich dem Apparat anzuvertrauen. Laßt mich

hinzufügen, daß ich eine Tapferkeit meine, die belohnt zu werden ver-

dient. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß es durchaus an

Selbstmord grenzen könnte, nicht hineinzuklettern. Aber das ist natürlich meine ganz persönliche Meinung, und es würde mich interessieren, eure

zu hören.«

Lord Vetinari war kein kräftig gebauter Mann, und seit einiger Zeit be-

nutzte er einen schwarzen Gehstock. Niemand hatte jemals beobachtet,

wie er eine Waffe benutzte, und in einem jähen Anflug von Vernunft

dachte Colon, daß diese Erkenntnis keineswegs beruhigend war. Es hieß,

der Patrizier sei bei der Assassinengilde zur Schule gegangen, doch nie-

mand wußte, mit welchen Waffen er sich auskannte. Er hatte Sprachen

studiert, aber Colon vermutete, daß Lord Vetinari nicht nur mit Worten

umzugehen verstand.

Der Feldwebel salutierte, wie immer bei einem Notfall. »Korporal

Nobbs!« rief er.



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